Branchenwissen und Produktmanagement

KI, Branchenwissen und Produktmanagement

Man hört aktuell häufig von bahnbrechenden Innovationen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI). Viele Neuigkeiten kommen direkt aus der Forschung und so kann man vermuten, dass nur die innovativste Technologie oder spezifische Algorithmen das Geheimrezept für den Erfolg eines KI-Unternehmens sind. Aber ist das wirklich so? Sollten KI-Startups alle Ressourcen in KI-Fachkräfte wie z.B. Machine Learning Engineers stecken? Während bahnbrechende Technologien definitiv bedeutend sind, möchte ich in diesem Post aufzeigen, dass fortschrittliche KI-Technologien nicht alleine der Schlüssel zum Erfolg sind. Tatsächlich können ganz „normale“ und lang bekannte Algorithmen die technologische Basis für ein erfolgreiches KI-Unternehmen sein. Die Voraussetzung ist, dass sie gezielt eingesetzt und mit fundiertem Branchenwissen und Produktmanagement kombiniert werden.

Die Rolle von Branchenwissen

Eines der größten Missverständnisse in Bezug auf die Anwendung von KI ist die Annahme, dass reine Technologiekompetenz ausreicht, um ein erfolgreiches KI-Projekt oder KI-Produkt zu realisieren. Doch ein tiefes Verständnis der jeweiligen Branche ist oft ebenso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger. Denn dieses spezifische Wissen ermöglicht es, Algorithmen auf die effektive und effiziente Weise einzusetzen.

KI in der Fintech-Branche

Nehmen wir ein Beispiel aus der Fintech-Branche. Hier könnte man KI zur Betrugserkennung oder fürs Risikomanagement einsetzen. Doch ohne ein Verständnis der Finanzsysteme oder regulatorischen Anforderungen ist es wesentlich schwieriger oder gar unmöglich, vernünftige KI-Systeme zu entwerfen. Unternehmen, die auf diesem Gebiet erfolgreich sind, haben nicht unbedingt neue KI-Technologien entwickelt. Sie nutzen vorhandene Methoden und passen sie effektiv an die spezifischen Herausforderungen der Branche an.

KI in der Medizin

Ähnlich ist es in der Medizin, wo KI zur Diagnose oder Behandlungsplanung eingesetzt wird. Hier ist ein Verständnis von medizinischen Prozessen, Krankheitsbildern und rechtlichen Einschränkungen unerlässlich, um KI-Modelle richtig zu trainieren und optimal zu nutzen. Unternehmen, die KI-Lösungen in diesem Bereich erfolgreich einsetzen, kombinieren medizinisches Fachwissen mit passenden ML-Modellen.

KI in der Produktion und Logistik

KI hat auch den Bereich der Produktion und Logistik modernisiert und effizienter gemacht. Ob es um die Vorhersage von Wartungsbedarf (Predictive Maintenance), die Optimierung von Lieferketten, oder die Automatisierung von Produktionsprozessen geht – das fachliche Verständnis der Maschinen und Prozesse ist von entscheidender Bedeutung.

Bekannte Vorgehensmodelle für Data Science

Es gibt einige Vorgehensmodelle, die spezifisch für Data Mining und Data Science entwickelt wurden und das Fachwissen hoch priorisieren. Ein sehr bekanntes, von drei großen Unternehmen und durch die EU gefördertes Modell ist CRISP-DM (CRoss Industry Standard Process for Data Mining). Es hilft Unternehmen dabei Data Mining-Projekte gut zu organisieren, indem es verschiedene Projektphasen definiert. Die erste Phase ist das „Business Unterstanding“: Hier geht es darum, betriebswirtschaftliche Ziele zu setzen und diese dann in konkrete Anforderungen umzuwandeln.

Andere Modelle priorisieren das Verstehen des Problems und damit das Fachwissen ebenso hoch ein. Eines dieser Modelle ist TDSP (Team Data Science Process) von Microsoft. Da es quasi ein Mix aus CRISP-DM und Scrum ist, steht hier „Business Understanding“ weiterhin an erster Stelle. In einem anderen Modell, dem Domino-Modell, steht „Ideation“ an erster Stelle. Die Ideation-Phase beinhaltet unter anderem die Problemstellung, eine Analyse des Ist-Zustands und die Definition von Zielen.

Die Bedeutung von Produktmanagement

Gutes Produktmanagement kann den entscheidenden Unterschied machen zwischen einem Produkt, das sich nahtlos in die Arbeitsabläufe einfügt und einen echten Mehrwert liefert, und einem Produkt, das trotz neuesten Algorithmen und ML-Modellen nicht die gewünschten Ergebnisse liefert. Es ist eng verwandt mit dem eben besprochenen Thema „Branchenwissen“, denn als Produktmanager:in muss man ein tiefes Verständnis für die Kunden, für die Probleme, Bedürfnisse und Erwartungen haben. Er oder sie ist in der Lage, die Brücke zwischen technischen Möglichkeiten und praktischen Anforderungen zu schlagen. Und da kommt es eben nicht immer auf die neueste oder beeindruckenste Technologie oder noch höhere Prognosegüte an. Manchmal reicht ein verhältnismäßig simples Modell, das aber die Probleme der Kunden sehr gut löst.

KI, Branchenwissen und Produktmanagement

Wir haben die Bedeutung von Branchenwissen und effektivem Produktmanagement für den Erfolg von KI-Unternehmen besprochen: Branchenwissen ermöglicht es uns, die Herausforderungen einer bestimmten Branche zu verstehen. Produktmanager:innen sollten genau dieses Wissen haben und können somit die Entwicklung von KI-Produkten positiv beeinflussen. Produktmanagement stellt also sicher, dass das Produkt wirklich zur Reduzierung des Problems beiträgt und dabei benutzerfreundlich und wirtschaftlich ist. Künstliche Intelligenz selbst ist das Werkzeug, das diese Lösungen technisch ermöglicht. Diese drei Aspekte zusammen bilden das Fundament für ein erfolgreiches KI-Unternehmen.

Ein Beispiel für die erfolgreiche Kombination dieser drei Elemente ist die KI-gestützte Spracherkennung, wie sie in Produkten wie Google Assistant oder Siri zum Einsatz kommt. Diese Produkte kombinieren Wissen über menschliche Kommunikation mit moderner KI-Technologie und effektivem Produktmanagement, um ein benutzerfreundliches und nützliches Produkt zu schaffen.

Aktuelle Entwicklungen

In letzter Zeit wird es nochmal deutlich, wie relevant die Kombination dieser drei Pfeiler ist: Durch die Entwicklungen rund um ChatGPT oder Midjourney gibt es viele neue Startups, die entweder eigene Modelle trainieren oder die ChatGPT-API benutzen und eine eigene Web-Oberfläche bauen. Einige dieser KI-Startups stellen eine große Anzahl an Data Scientists, Data Engineers oder Machine Learning Engineers ein und haben hohe Kosten für Daten und Modelltraining. Alles nur, um noch etwas besser in der Qualität der Textausgabe zu werden.

Doch genau hier sollte man sich fragen: Muss die Textqualität wirklich noch besser werden als jene, die gerade verfügbar ist (z.B. GPT-4)? Muss es das nächste ChatGPT werden? Ist damit der Erfolg eines Unternehmens garantiert? Natürlich kommt es darauf an, was das Ziel ist. Aber ein besseres Modell im Hintergrund mit einer Textbox als User Interface (eben wie das aktuelle ChatGPT) wird sich nicht langfristig halten. Die guten Startups wissen, dass es darum geht, den Usern einen wirklichen Mehrwert zu bieten. Ich schätze, dass viele der aktuell entstehenden Startups im Bereich der generativen Modelle eine hohe Abwanderungsrate („churn rate“) haben, weil noch viel herumprobiert wird. Nur Unternehmen, die die drei besprochenen Aspekte in guter Balance halten, werden Kunden langfristig binden können und sich dabei weiterentwickeln.

Fazit

Der Erfolg von KI-Produkten hängt nicht nur von der zugrunde liegenden Technologie ab. Wie ich aufgeführt habe, sind spezifisches Branchenwissen und effektives Produktmanagement genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, für den erfolgreichen Einsatz von KI. Erfolgreiche Unternehmen erkennen, dass es darum geht, echten Mehrwert für die Nutzer zu schaffen – und dass KI nur ein Werkzeug dafür ist. Ohne ein ausgewogenes Verhältnis zwischen KI-Technologie, Branchenwissen und Produktmanagement riskieren Unternehmen hohe Abwanderungsraten und verpassen Möglichkeiten zur langfristigen Kundenbindung und Weiterentwicklung.

Wenn du ein Wunschthema hast oder mir Feedback geben willst, schreibe gerne einen Kommentar oder schicke eine Mail an mail@thorejohannsen.de.

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